Ein bewegender Text, der die Kreuzigung Jesu aus der Perspektive eines Zuschauers erzählt.
Zu Gast bei der Kreuzigung Jesu
Ich habe eine Geschichte aus der Bibel dabei, die ich euch gerne vorlesen möchte.
Ihr kennt sie vielleicht auch etwas anders.
Sie ist etwas länger, aber gut zu verfolgen und handelt von einem Reisenden, der gerade wenige Tage in einer großen Weltstadt bei einem großen Fest zu Gast ist und dort eine Menge erlebt.
Das Erlebte schildert er wie folgt:
„Ich habe gehört, sie haben Jesus verhaftet. Angeblich hat ihn einer seiner besten Freunde verraten. Ich weiß nicht, ob es stimmt. Ich werde jetzt noch hingehen und mir anschauen, was sie mit ihm machen und warum. Ich verstehe das alles nicht.“
Ich gehe in den Innenhof des Tempels und sehe wie der Mann dort steht, gefesselt wie ein Schwerverbrecher, aber ruhig, sehr ruhig. Er wird aufs übelste angeschuldigt, die Zeugen widersprechen sich ständig in ihren Aussagen. Jetzt werfen sie ihm vor, er hätte gesagt, er wäre Gottes Sohn. Dieser Jesus sagt nur: "Du sagst es.". Der Hohepriester rastet völlig aus und ruft: "Er muss sterben, er hat Gott gelästert!" und alle rufen: "Er muss sterben!". Sie bespucken ihn, sie schlagen ihn ins Gesicht und lästern über ihn. Der Speichel tropft langsam von der Stirn auf seine Wange, er kann es nicht wegwischen, denn seine Hände sind gefesselt. Ich frage mich das erste Mal: "Warum lässt du dir das gefallen, wenn du wirklich der bist, der du behauptest, zu sein?" Er dreht sich zu mir um und schaut mir in die Augen. Obwohl ich viele Meter von ihm weg stehe, ist es so als hätte er meine Gedanken verstanden und ich sehe wie seine Lippen sich zu einem Wort formen: LIEBE.
Jetzt erkenne ich einen seiner Mitstreiter unter der Menge und höre wie er darauf schwört, diesen Jesus nicht zu kennen. „Ich verstehe das alles nicht.“ Ich sehe diesen Blick von Jesus auf seinem Freund voll Liebe und Traurigkeit. „Weshalb sind alle gegen ihn, was ist hier los?“
Am Morgen wird dieser Jesus vor den Statthalter Pilatus geführt, damit er Jesus zum Tode verurteilt. „Die Menschen wollen ihn echt lynchen, aber warum? Ich habe gehört dieser Jesus soll nur Gutes getan haben.“
Jetzt sieht es so aus als würde sich das Blatt vielleicht noch wenden. Pilatus weiß nicht, was er machen soll und schickt Jesus zu Herodes. Ich laufe mit der Masse. Überall sehe ich die vom Hass verzerrten Gesichter. Die Menschen wollen sein Blut sehen, sie rufen, er solle sterben - den schrecklichsten Tod, den es gibt - dieser Möchtegern-Sohn-Gottes, dieser König, und sie spucken vor ihm aus. Auch die Soldaten werden angestachelt von dieser Raserei und reißen Jesus seine Kleidung vom Leib, legen ihm einen Purpurmantel um und flechten eine Krone aus Dornen. Sie schlagen auf seinen Kopf. Das Blut fließt sofort. Sie werfen sich vor ihm nieder und machen ihre Witze. Das Blut fließt durch seine Augen und er kann es nicht wegwischen, denn seine Hände sind gefesselt.
An seinen Augen bleibe ich hängen. Ich vermisse den Hass und die Wut, die man sonst bei den Gefangen sieht, und frage mich wieder: "Warum lässt du dir das gefallen, wenn du wirklich die Macht hast, die du als Sohn Gottes eigentlich hättest?". Seine Lippen formen sich wieder zu dem Wort: LIEBE.
Herodes schickt Jesus, nachdem er seine Witze über ihn gemacht hat, wieder fort. Wir sind wieder bei Pilatus angekommen. Pilatus versucht, diesen Jesus freizusprechen, weil er merkt: Dieser Mensch hat nichts Böses getan. Er stellt die Menge vor die Wahl zwischen einem Schwerverbrecher und diesem Jesus. Und jetzt passiert etwas Unglaubliches. Die Menge schreit: "Wir wollen Barabbas, Jesus soll gekreuzigt werden!". Pilatus beugt sich dem Druck der tobenden und rasenden Menge und verurteilt Jesus zum Tod am Kreuz.
„Ich will aufschreien, ich weiß nicht, was hier passiert, aber das muss ein Irrtum sein. Wie kann ein unschuldiger Mensch zum Tod verurteilt werden?“ Ich werde zurückgestoßen von dem Mob, der nach Blut schreit, der besessen ist von dem Hass. Jetzt geht alles rasend schnell. Jesus wird gepackt, seine Oberkleider werden ihm vom Körper gerissen, er muss sich hinknien und die Soldaten fangen an, ihn mit dieser schrecklichen Geißel zu schlagen. Nach drei bis vier Schlägen platzt der Rücken auf. Ich muss wegschauen. Ich kann es nicht mit ansehen, ich höre die Schläge. Einer nach dem anderen - die Masse johlt. Jetzt bringen sie das Kreuz herbei, legen es auf seinen zerschundenen Rücken und treiben ihn wie ein Stück Vieh auf die Hinrichtungsstätte zu.
Ich frage mich wieder: "Warum tun sie diesem Menschen so viel Schreckliches an? Ich verstehe das nicht!“
Jetzt sind wir an der Hinrichtungsstätte angekommen. Sie packen Jesus, reißen ihm seine Kleider vom Köper und pressen ihn auf dieses Holz - diesen edlen Menschen oder ist er vielleicht doch mehr als ein Mensch? Sie treiben die Nägel durch seine Hände, ich höre die Schmerzensschreie. Das Kreuz wird aufgerichtet und ein langer Nagel wird durch die übereinanderliegenden Beine geschlagen - ein grausames Schauspiel.
Die Menge spottet, aber ich will eigentlich nur noch weg von hier. „Ich halte das nicht mehr aus.“ In diesem Moment höre ich wie Jesus sagt: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
„Was ist das für ein Mann der dort am Kreuz hängt?“ Ich bekomme ein tiefe Ehrfurcht, eine tiefe Achtung vor diesem Menschen, der so leidet - aber eben ohne jeden Hass. „Oh, du Mann am Kreuz in der Mitte, wer bist du wirklich?“
Ich sehe den Todeskampf: Das Anheben des Köpers, abgestützt auf die festgenagelten Füße, um Luft zu bekommen. Dann wieder das Ablassen des Körpers, um irgendwie diesen rasenden Schmerz zu lindern.
Jetzt schreit Jesus auf. Ich kann es nicht verstehen und plötzlich wird es finster. Es wird dunkel am helllichten Tag. „Hier passiert etwas noch nie Dagewesenes. Hier stirbt nicht irgendein Mensch, hier stirbt der Sohn Gottes!!!“ PAUSE
Nach drei schrecklichen Stunden der Finsternis über dieser Welt und über dem, der am Kreuz in der Mitte hängt, schaue ich nochmal auf zu diesem Kreuz und sehe, wie Jesus völlig fertig ist und innerlich die größte Not durchleidet. Ich schreie auf und rufe: "Warum hast du das getan? Warum?". Jesus richtet sich noch einmal auf und sagt: "Ich habe das für dich getan, für dich und für die ganze Menschheit, weil ich euch über alles liebe.". Jesus ruft ein letztes Mal - es ist ein Ruf der Befreiung: "Es ist vollbracht!" und stirbt - dieser einzigartige unbegreifliche Jesus. Ich falle nieder vor diesem Kreuz und bin überwältigt von dieser großen Liebe, die Jesus zu mir hat. Gemeinsam mit einem römischen Hauptmann, der genauso überwältigt ist, beten wir Gott an.